Arbeitszeugnisse müssen keine Schlussformel enthalten, die Dank und Bedauern ausdrücken. Das Bundesarbeitsgericht hat eine anderslautende Entscheidung des LAG Düsseldorf kassiert. Nach meiner Erfahrung sehen Mitarbeiter ein Arbeitszeugnis aber nur dann als ordentlich und vollständig an, wenn im Schlusssatz Dank, Bedauern und gute Wünsche für die Zukunft ausgesprochen werden.
Eine typische Formulierung lautet etwa: „Wir bedanken uns für die geleistete Arbeit, bedauern sein Ausscheiden und wünschen ihm für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg“. Das Bundesarbeitsgericht ist aber der Meinung, dass diese Schlussfloskel nicht mehr Bestandteil des gesetzlichen Anspruchs auf ein Arbeitszeugnis ist und der Arbeitgeber auf sie verzichten kann. Wer also einen Vergleich im Kündigungsschutzprozess abschließt, sollte daher künftig ausdrücklich den genauen Wortlaut der Formulierung vereinbaren.
Mit dieser Formulierung im Arbeitszeugnis war der Mitarbeiter nicht einverstanden
Ein Personaldienstleister bescheinigte seinem drei Jahre lang beschäftigten Personaldisponenten: „Herr K. scheidet mit dem heutigen Tage aus unserem Unternehmen aus.“ Dem Gerichtsverfahren ging ein Kündigungsschutzprozess voraus, weil die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte. Er endete durch einen Vergleich, in dem die Arbeitgeberin verpflichtet wurde, ein „qualifiziertes wohlwollendes Arbeitszeugnis“ auszustellen. Das ist zwar eine typische Vergleichsklausel, aber sie sagt inhaltlich nichts Genaues aus. In einem qualifizierten Zeugnis werden die Führung und die Leistung des Mitarbeiters bewertet. Das Gegenteil ist ein einfaches Zeugnis, das nur die grundlegenden Informationen, wie Eintrittsdatum, Austrittsdatum und Tätigkeit enthält. „Wohlwollend“ bedeutet nicht gut, sondern beschreibt nur den allgemeinen Grundsatz, dass auch schlechte Leistungen mit höflichen Worten beschrieben werden müssen.
Welche Schlussformulierung verlangte der Mitarbeiter im Zeugnis?
Der Mitarbeiter war mit dem daraufhin ausgestellten Zeugnis nicht einverstanden und klagte. Der Arbeitgeber sollte ihm bescheinigen: „Mit dem Weggang von Herrn K verlieren wir einen stets guten Leistungsträger, was wir sehr bedauern.“ und „Wir danken Herrn K.für die geleistete Arbeit und wünschen ihm für die weitere berufliche und private Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.“ Nach seiner Ansicht hatte der Arbeitgeber Dank und Bedauern absichtlich weggelassen, weil er froh sei, ihn loszuwerden. Der Groll des Arbeitgebers dürfe aber die Bewertung nicht beeinflussen.
Wie hat das Landesarbeitsgericht zum Arbeitszeugnis entschieden?
Das Arbeitsgericht Mönchengladbach (Urteil vom 27.10.2020 – 1 Ca 1729/20) hatte die Klage mit einem knappen Urteil abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20) war der Kläger zum großen Teil erfolgreich. Die Richter lehnten den Wunsch auf ein „Bedauern“ im Arbeitszeugnis im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab ab. Den geforderten Dank sprachen sie aber zu. Das Rücksichtnahmegebot aus § 241 Abs. 2 BGB würde den Arbeitgeber verpflichten, ein widerspruchsfreies Arbeitszeugnis zu formulieren. Das Fehlen der Schlussformulierung sei eine Lücke und diese sei eben wegen der Rücksichtnahmepflicht zu schließen, wenn keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen würden.
Was sagt das Bundesarbeitsgericht zu dieser Begründung?
Die Erfurter Richter verwarfen den juristischen Ansatz des Landesarbeitsgerichts. Nach ihrer Ansicht ist die Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel im Arbeitszeugnis für die Beurteilung des potentiellen neuen Mitarbeiters durch einen künftigen Arbeitgeber nicht wichtig. Der alte Arbeitgeber würde damit nur Gedanken und Gefühle formulieren, die keine Rückschlüsse auf die geleistete Tätigkeit und das Verhalten im Unternehmen zuließen. Auch nach Meinung der Richter könnten positive Schlusssätze durchaus die Bewerbungschancen eines Arbeitnehmers erhöhen. Aber die Schlussformel enthalte keine zusätzlichen Informationen über die bereits zuvor gegebene Bewertung hinaus. Der Ausdruck von „Gedanken und Gefühlen“ im Arbeitszeugnis betreffe die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG und die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmensfreiheit. Die Berufsausübungsfreiheit des Mitarbeiters (Art. 12 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) müsse dahinter zurückstehen. Der Arbeitgeber sei deshalb nicht verpflichtet, seine innere Überzeugung zu offenbaren.
Welche Bedeutung hat das Zeugnis-Urteil des Bundesarbeitsgerichts?
- Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf rennt noch einmal (Urteil vom 03.11.2010 – 12 Sa 974/10) gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an und scheitert. Es versucht, bei bestimmten Fallkonstellationen einen Anspruch auf die Aufnahme einer Schlussformel im Arbeitszeugnis zu etablieren. Nach unserer langjährigen Erfahrung hat dieser Schlussabsatz in der Personalpraxis durchaus eine erhebliche Bedeutung.
- Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts ist die Attacken aus Düsseldorf leid und holt deshalb in der Begründung mit dem Verweis auf die Grundrechte das ganz große Besteck heraus.
- Fürs Erste dürfte damit der Rahmen abgesteckt sein. In arbeitsgerichtlichen Vergleichen und in Aufhebungsverträgen sollten Arbeitnehmer darauf achten, dass eine Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel ausdrücklich vereinbart wird.
Welche Regeln gelten für ein Arbeitszeugnis?
- Die gesetzliche Grundlage für ein Arbeitszeugnis für Arbeitnehmer ist § 109 GewO (vgl. § 630 BGB).
- Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber muss das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein (BAG, Urteil vom 14.06.2016 – 9 AZR 8/15).
- Das Arbeitszeugnis darf das weitere Fortkommen des Mitarbeiters nicht unnötig erschweren (BAG, Urteil vom 20.02.2001 – 9 AZR 44/00).
- Zeugnisklarheit gemäß § 109 Abs. 2 Satz 1 GewO: Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Nach § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO darf ein Zeugnis keine Formulierungen enthalten, die eine andere Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen als sich aus dem Wortlaut ergibt. Unklare Formulierungen sind deshalb verboten
- Inhaltlich falsch ist ein Zeugnis, wenn sich der Arbeitgeber erkennbar vom Inhalt distanziert (BAG, Urteil vom 15.11.2011 – 9 AZR 386/10).
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