Eine Beleidigung ist (k)ein Kündigungsgrund

„Wer meine Kunden beleidigt, der fliegt“. So dachte ein Speditionsunternehmer, als er vom unflätigen Wortschwall seines Fahrers erfuhr. Zu seiner Überraschung erlitt er aber mit seiner fristlosen Kündigung in zwei Instanzen Schiffbruch. Die Richter betrachteten den Vorfall ganz genau und arbeiteten einen wichtigen Grundsatz zur verhaltensbedingten Kündigung heraus.

Der Fall

Der Fahrer belieferte regelmäßig einen Supermarkt mit Waren. Dazu musste er mit seinem Lastwagen eine enge Einfahrt mit einer sehr knapp bemessenen Durchfahrtshöhe passieren. Im März 2009 wurde er vor der Einfahrt von einem Mitarbeiter der Hausverwaltung gestoppt und aufgefordert, wegen der beengten Verhältnisse nicht weiterzufahren. Es kam zu einem Wortgefecht, über dessen genauen Inhalt später gestritten wurde. Das Arbeitsgericht war nach einer Zeugenbefragung davon überzeugt, dass der Fahrer den Hausverwalter anfuhr: „Ich liefere hier seit Jahren und jetzt aus dem Weg, du Arsch!“ Anschließen bezeichnete er ihn noch mehrfach als „Arschloch“.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.04.2010 – 4 Sa 474/09) hielt sich streng an die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Regeln, nach der eine fristlose Kündigung zu prüfen ist. In einem ersten Schritt wird der Vorfall untersucht, ob er an sich und ohne Blick auf den Einzelfall eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Die Richter stellten fest, dass grobe Beleidigungen die Ehre des Beschimpften erheblich verletzen. Auch ein einmaliger Vorfall könne bereits ausreichen. Entscheidend sei, wie unverhältnismäßig und wie überlegt die Reaktion des Mitarbeiters auf den Anlass sei. Grundsätzlich sei damit eine Beleidigung ein Grund für eine fristlose Kündigung. Denn der unbeherrschte Mitarbeiter gefährde die Kundenbeziehungen seines Arbeitgebers und damit auch die Arbeitsplätze seiner Kollegen. Im zweiten Schritt prüfte das Gericht, ob unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Kündigung gerechtfertigt ist. Nach seiner Ansicht war die Entlassung unverhältnismäßig, eine Abmahnung des Klägers ausreichend. Sein Verhalten war bislang einwandfrei und die Beleidigung eine einmalige Entgleisung. Ein sog. Augenblicksversagen erlaube den Schluss darauf, dass sich der Arbeitnehmer nach einer Abmahnung zukünftig beherrschen würde.

Der Beratertipp

Voreilige und unüberlegte Kündigungen können großen Schaden anrichten. Es reicht eben nicht aus, dass ein Kündigungsgrund „an sich“ vorliegt. Sie muss auch im Einzelfall gerechtfertigt sein. Um dies näherungsweise abschätzen zu können, ist eine umfassende Kenntnis der Rechtsprechung zur fristlosen Kündigung notwendig. Denn die Konsequenz für den Arbeitgeber ist hier: Er muss seinem Mitarbeiter das Gehalt von März 2009 bis April 2010 nachzahlen.

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