Kündigung bei Betriebsschließung trotz „Unkündbarkeit“ möglich?

Wenn der Betrieb geschlossen wird, kann allen Arbeitnehmern gekündigt werden. Dieser scheinbar so einfache Grundsatz hat zahlreiche Ausnahmen. Zum Beispiel kann die „Unkündbarkeit“ von Mitarbeitern den Arbeitgeber vor erhebliche Probleme stellen, zu sehen bei den Kündigungsschutzverfahren anlässlich der Schließung der BKK für Heilberufe.

Zum 31.12.2013 wird der alte BKK Bundesverband in Essen aufgelöst. Die Nachfolge tritt der BKK Dachverband in Berlin an. Den Mitarbeitern soll wegen der Betriebsschließung gekündigt werden. Auch hier könnte die tarifliche Unkündbarkeit von langjährig Beschäftigten den Verantwortlichen schlaflose Nächte bereiten. Grund genug, einen Blick auf die Rechtslage zur betriebsbedingten Kündigung bei Unkündbarkeit zu werfen.

Unkündbarkeit gilt nicht absolut

Zahlreiche Mitarbeiter in Krankenkassen verfügen über Arbeitsverträge, in denen die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) vereinbart wurde. Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren und einem Lebensalter von 40 Jahren (§ 53 Abs. 3 BAT) kann nach § 55 BAT nur außerordentlich gekündigt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen:

§ 55 BAT Unkündbare Angestellte

(1) Dem unkündbaren Angestellten ( § 53 Abs. 3 BAT ) kann aus in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden.

(2) Andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, berechtigen den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen. […]

Eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ist damit ausgeschlossen. Allerdings kann außerordentlich gekündigt werden. Damit ist in diesem Fall aber nicht fristlos gemeint, das würde zu einem unsinnigen Ergebnis führen. Die Kündigungsfrist entspricht in diesen Fällen der längsten tariflichen Kündigungsfrist, im BAT sind dies sechs Monate zum Schluss eines Quartals.

Nach § 55 Abs. 2 BAT ist aber die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ausgeschlossen, dies ist sozusagen eine vertragliche Beschäftigungsgarantie. Naheliegend ist aber auch, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses möglich sein muss, wenn es keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt und das Arbeitsverhältnis nur aus der Gehaltszahlung besteht.

Kündigung bei Betriebsschließung möglich, aber schwierig

Tatsächlich lässt das Bundesarbeitsgericht in diesen Fällen die Kündigung in engen Grenzen zu. Als Mindestvoraussetzung sind die Grundsätze heranzuziehen, die in Rationalisierungstarifverträgen vereinbart wurden. In § 3 des Rationalisierungstarifvertrag für Angestellte (RatschTV Ang) sind dies z.B.

Der Arbeitgeber ist dem von einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des § l betroffenen Angestellten nach den Absätzen 2 bis 5 zur Arbeitsplatzsicherung verpflichtet.

Die Sicherung setzt erforderlichenfalls eine Fortbildung oder Umschulung des Angestellten voraus.

(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Angestellten einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz zu sichern.

Ein Arbeitsplatz ist gleichwertig im Sinne des Unterabsatzes l, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Eingruppierung nicht ändert und der Angestellte in der neuen Tätigkeit vollbeschäftigt bzw. im bisherigen Umfang nicht vollbeschäftigt bleibt.

Bei der Sicherung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes bei demselben Arbeitgeber gilt folgende Reihenfolge:

a) Arbeitsplatz in derselben Verwaltung/demselben Betrieb an demselben Ort,

b) Arbeitsplatz in derselben Verwaltung/demselben Betrieb an einem anderen Ort oder in einer anderen Verwaltung/einem anderen Betrieb an demselben Ort,

c) Arbeitsplatz in einer anderen Verwaltung/einem anderen Betrieb an einem anderen Ort.

Von der vorstehenden Reihenfolge kann im Einvernehmen mit dem Angestellten abgewichen werden.

Steht ein gleichwertiger Arbeitsplatz nach Maßgabe des Unterabsatzes 3 nicht zur Verfügung, soll der Angestellte entsprechend fortgebildet oder umgeschult werden, wenn ihm dadurch ein gleichwertiger Arbeitsplatz bei demselben Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden kann.

(3) Kann dem Angestellten kein Arbeitsplatz im Sinne des Absatzes 2 zur Verfügung gestellt werden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Angestellten einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. Absatz 2 Unterabs. 3 und 4 gilt entsprechend.

Die spätere Bewerbung um einen gleichwertigen Arbeitsplatz ist im Rahmen der Auswahl unter gleichgeeigneten Bewerbern bevorzugt zu berücksichtigen.

(4) Kann dem Angestellten kein Arbeitsplatz im Sinne der Absätze 2 und 3 zur Verfügung gestellt werden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich um einen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes an demselben Ort zu bemühen.

(5) Kann dem Angestellten kein Arbeitsplatz im Sinne der Absätze 2 bis 4 zur Verfügung gestellt werden, kann der Arbeitgeber dem Angestellten auch einen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT, vorzugsweise an demselben Ort, nachweisen.

(6) Der Angestellte ist verpflichtet, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz im Sinne der Absätze 2 bis 5 anzunehmen, es sei denn, dass ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann.

Protokollnotiz zu Absatz 4:

Öffentlicher Dienst im Sinne des Absatzes 4 ist eine Beschäftigung

a) beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband oder bei einem sonstigen Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände oder der Tarifgemeinschaft deutscher Länder angehört,

b) bei einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, die den BAT, den BAT-0 oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet.

Da die Unkündbarkeit den Angestellten ähnliche Beschäftigungssicherheit wie Beamten gewähren soll, mus der Arbeitgeber sich daher bemühen, seinen Mitarbeitern einen anderen Arbeitsplatz zu vermitteln. Bislang ungeklärt ist aber, wie weit die Verpflichtung zur Suche reicht, welche öffentlichen Arbeitgeber einbezogen werden müssen.

Urteile zur außerordentlichen Kündigung bei Unkündbarkeit:

  • LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2011 – 20 Sa 85/10
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.03.2010 – 2 AZR 337/08
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.03.2007 – 8 AZR 538/06
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2006 – 2 AZR 207/05
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.06.2004 – 2 AZR 215/03

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