Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Aber nur, wenn der Arbeitgeber dies weiß. Über einen besonderen Fall hatte nun das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zu entscheiden (Urteil vom 06.07.2010 – Az. 1 Sa 409 e/09): Ein behinderter Mitarbeiter hatte die weitergehende Anerkennung als schwerbehinderter Mensch beantragt. Er erhielt eine Kündigung und informierte seinen Arbeitgeber erst nach fast vier Wochen über den Antrag. Das Arbeitgericht verneinte deshalb den besonderen Kündigungsschutz. Vor dem Landesarbeitsgericht wollte der Mitarbeiter eine Korrektur des Urteils erreichen.
Update September 2016: Das Bundesarbeitsgericht stellte im Urteil vom 22.09.2016 – 2 AZR 700/15 – fest: „Welche Zeitspanne noch als angemessen anzusehen ist, um den Zugang der Information über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § SGB_IX § 85 SGB IX beim Arbeitgeber zu bewirken, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Der Kläger hat den Sonderkündigungsschutz nicht verwirkt. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat sie die Mitteilung des Klägers über seine Antragstellung am 06.09.2013 und damit am 22. Tag nach dem Zugang der Kündigung vom 13.08.2013 erhalten. Die Beklagte hatte demnach von den möglicherweise den Sonderkündigungsschutz begründenden Umständen bereits am Tag nach Ablauf der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG Kenntnis.“ Das bedeutet: 1.) Es gibt keine feste Klagefrist. 2.) Die Mitteilung kann verwirkt sein. – „Verwirkung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Das Arbeitsgericht kann also entscheiden, dass die Mitteilung der Schwerbehinderung nach Zeit und Umständen verspätet war. Wann genau das der Fall ist, musste das BAG nicht entscheiden und hat es deshalb nicht vorgegeben.
Schwerbehinderten Menschen darf der Arbeitgeber nur kündigen, wenn das Integrationsamt (in NRW) seine Zustimmung erteit hat. Es prüft in einem besonderen Verfahren, ob nicht möglicherweise das Arbeitsverhältnis gerade wegen der Schwerbehinderung des Mitarbeiters beendet werden soll. Ist zwischen Kündigungsgrund und Schwerbehinderung kein Zusammenhang zu erkennen, so wird es die Zustimmung erteilen.
- Beispiel: Der schwerbehinderte Mensch rechnet Spesen zu seinen Gunsten falsch ab
Probleme können aber für den Mitarbeiter auftreten, wenn er seine Schwerbehinderung nicht rechtzeitig dem Arbeitgeber mitteilt.
Der Fall
Eine Mitarbeiterin mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40 stellte am 24.11.2008 einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Am 19.12.2008 erhielt sie die Kündigung und reichte daraufhin Kündigungsschutzklage ein. Die Klage wurde dem Arbeitgeber, der von der Antragstellung nichts wusste, am 14.01.2009 zugestellt. Am 09.03.2009 wurde der Mitarbeiterin rückwirkend zum 24.11.2008 ein GdB von 50 zuerkannt, sie galt damit als schwerbehindert.
Die Entscheidung
Trotz der festgestellten Schwerbehinderung wurde der Sonderkündigungsschutz von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht verneint. Nach Ansicht der Richter war die Dreiwochenfrist zur Mitteilung versäumt. Aufgrund von Gesetzesänderungen hatte das Bundesarbeitgericht schon 2008 seine Rechtsprechung endgültig geändert und die bislang geltende Vierwochenfrist durch eine Dreiwochenfrist ersetzt. Das Landesarbeitsgericht wendete nun diese Mitteilungsfrist nicht nur auf bereits anerkannte Schwerbehinderungen an, sondern ebenfalls auf laufende Erhöhungsanträge.
Der Beratertipp
Auch wenn die strenge Dreiwochenfrist nicht mehr gilt, so muss dem Arbeitgeber sofort nach Erhalt der Kündigung die Schwerbehinderung mitgeteilt werden, um keine Nachteile zu erfahren. Wer die Frist verpasst hat, sollte dies umgehend nachholen und Kündigungsschutzklage einreichen. Damit hat der gekündigte Arbeteitnehmer alles, was möglich ist, getan. Ob es eim Einzelfall ausreicht, wird sich dann zeigen.
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