Urlaub in der Insolvenz

Glück im Unglück, dachte sich unser Mandant. Sein Arbeitgeber wurde zwar zahlungsunfähig und meldete Insolvenz an, der Betrieb aber sofort von einem Erwerber übernommen. Weniger erfreut war er aber über die „Gute Nachricht zu Ihrem Arbeitsverhältnis“, die er einen Tag später im Briefkasten fand: Sein Urlaub -fast der gesamte Jahresurlaub- sollte wegen der Insolvenz wegfallen. Das kam ihm seltsam vor. Und er hatte Recht.

Das Urlaubsrecht ist kompliziert. Das Insolvenzrecht auch. Beides zusammen verwirrte den Insolvenzverwalter und den neuen Arbeitgeber. Schließlich kam unser Mandant aber zu seinem Urlaub.

Urlaub geht in der Insolvenz nicht immer verloren

Das Insolvenzrecht unterscheidet zwischen Insolvenzforderungen und Masseforderungen. Alle Ansprüche bis zur Insolvenzeröffnung sind Insolvenzforderungen. Lohnforderungen sind durch das Insolvenzgeld abgesichert, auf alle anderen Forderungen wird das restliche Vermögen verteilt, es gibt die Quote. Wenn man Pech hat, ist sie gleich Null. Masseforderungen hingegen entstehen nach Insolvenzeröffnung, sie werden vollständig bezahlt.

Eine schwierige Frage entsteht beim Urlaub: Ist er Insolvenzforderung oder Masseforderung? Also „Alles oder Nichts“. Die Lösung hängt davon ab, ob der Urlaub bereits beantragt und genehmigt wurde. Ist er bereits zeitlich festgelegt, dann ist er Insolvenzforderung. Es gilt nichts anderes als bei allen anderen Forderungen, die vor Insolvenzeröffnung nicht erfüllt wurden. Im günstigsten Fall gibt es die Quote.

Ist der Urlaub noch nicht beantragt, so ist er eine Masseforderung und vollständig zu erfüllen. Der Urlaubsanspruch ist nämlich nicht von einer Arbeitsleistung abhängig und wird nicht Monat für Monat verdient. Deshalb ist es unmöglich, ihn einem Zeitpunkt vor oder nach der Insolvenzeröffnung zuzuordnen.

Wie kommen die Gerichte zu diesem Ergebnis?

Betrachten wir den Arbeitsvertrag genauer. Die rechtliche Konstruktion ist simpel: Arbeit gegen Geld. Nur in Sonderfällen gibt es Geld ohne Arbeit, z. B. bei Krankheit oder Urlaub. Beim Urlaub muss der Arbeitnehmer nicht arbeiten, er erhält aber trotzdem sein Gehalt weiter, jetzt Urlaubsentgelt genannt (Bitte nicht mit dem manchmal zusätzlich gezahlten Urlaubsgeld verwechseln.). Das ist also eine reine Geldforderung. Und das Schicksal von Geldforderungen in der Insolvenz hatten wir bereits oben geklärt.

5 Antworten

  1. Sabine

    Hallo, und wie ist es mit genehmigten Urlaub, der einem aber wieder gutgeschrieben wird, weil man im Beschäftigungsverbot ist (Schwangerschaft)?

  2. […] Die besprochen Urlaubsabgeltung betrifft eine bestimmte Fallkonstellation. Häufig stellt sich auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen Urlaub eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit ist. Details dazu finden Sie in meinem Beitrag Urlaub in der Insolvenz. […]

  3. Kropf Enrico

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    wie kommen die Gerichte, bzw in welche Paragraph steht das drin, das wenn die Urlaubstage vor der Insolvenzeröffnung fest standen (bewilligt) in die Insolvenzmasse fallen obwohl das Geschäft oder der Betrieb für die Weiterführung frei gegeben wurde und 6 Monate später (zum Beispiel) der Betrieb dann doch geschlossen wird.

    Mit freundlichen Grüßen

    1. NochNichtArbeitslos

      Würde mich auch interessieren!

    2. Fachanwalt für Arbeitsrecht Marc Traphan

      Gute Frage: Es gibt nämlich keinen Paragrafen, in dem das einfach so drinsteht. Was eine Insolvenzforderung (nicht Insolvenzmasse) ist, das wird aus § 38 Insolvenzordnung herausgelesen, nämlich „einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch“. Vermögensanspruch gegen den Arbeitgeber ist einmal das Gehalt. Wer vor Insolvenzeröffnung eine Woche Urlaub hat, der erhält für diese Zeit kein Gehalt („Ohne Arbeit kein Geld“). Weil es bei uns aber einen bezahlten Urlaub gibt, wird dem Arbeitnehmer ein sog. Urlaubsentgelt gezahlt; das ist auch eine Vermögensanspruch. (Wer ein festes monatliches Gehalt erhält, bemerkt den Unterschied nicht. Bei wechselnder Gehaltshöhe oder bei Teilnahme an einem Urlaubskassenverfahren – z.B. Maler- und Lackiererhandwerk – wird aber klar, das „normales“ Entgelt und „Urlaubsentgelt“ rechtlich gesehen zwei verschiedene Dinge sind. Dieser „Vermögensanspruch Urlaubsentgelt“ ist möglicherweise wie das Gehalt durch das Insolvenzgeld gesichert, ansonsten teilt er das Schicksal aller Zahlungsansprüche bei Insolvenz – es gibt nur einen Teil davon, die Quote. Noch nicht beantragter Urlaub ist noch gar kein Vermögensanspruch, Urlaub nach Insolvenzeröffnung fällt in die Insolvenzmasse und wird normal bezahlt; bei Weiterarbeit nach Insolvenzeröffnung muss der Insolvenzverwalter auch das Gehalt weiterzahlen.

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