Sind Stichtagsklauseln bei Weihnachtsgeld zulässig?

Darf der Arbeitgeber eine Sonderzahlung verweigern, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem Stichtag nicht mehr besteht. Eine Frage, die der Arbeitsrechtler mit einem präzisen: „Kommt drauf an.“ beantwortet.

Vorweg: Hier geht es nicht um das Problem, nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Sonderzahlung zurückzahlen zu müssen. Bei diesen Klauseln gibt es Extraprobleme, mit denen sich der Anwalt die Zeit vertreiben kann. Nein, hier verlangt ein Arbeitnehmer seine Sonderzahlung anteilig, weil er im Laufe des Jahres gekündigt hat und am Stichtag nicht mehr im Unternehmen ist.

Am 12.12.2012 entschied das Bundesarbeitsgericht, das eine Stichtagsregelung wirksam ist, die die Zahlung an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am 1.12. eines jeden Jahres knüpft – 10 AZR 718/11. Jetzt sprachen die gleichen Richter einem Controller 9/12 der Zahlung zu, obwohl er am 30.09. aus dem Unternehmen ausschied und den Stichtag verpasste; Urteil vom 13.11.2013 –  10 AZR 848/12.

Warum haben die Richter gleiche Fälle unterschiedlich behandelt? Ganz einfach, weil sie nicht gleich waren. Im ersten Fall galt die tarifvertragliche Regelung des § 20 TVöD:

„Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.“

Fertig. Die Regelung belohnt die Betriebstreue. Wer treu ist, erhält Geld.

Anders im zweiten Fall: Die Klausel war in einer „Richtlinie“ des Arbeitgebers enthalten. Da sie für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert war, handelte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach dem dafür geltenden Recht überprüft werden können – anders als Tarifverträge. Das ist seit 2002 so, hat sich aber noch nicht überall herumgesprochen. Unwirksame Klauseln sehe ich fast täglich, nebenbei bemerkt.

So schrieb der Arbeitgeber:

[grey_box]Die Zahlung erfolgt an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden; Verlagsangehörige erhalten für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts. Im Lauf des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhalten die Sonderzahlung anteilig.[/grey_box]

Damit war klar, dass nicht nur die Betriebstreue honoriert werden sollte, sondern auch die geleistete Tätigkeit – „bezahlte Arbeitsleistung“. Bereits verdientes Gehalt darf aber nicht rückwirkend wieder entzogen werden. Die Klausel benachteiligt damit den Kläger unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB steht. So etwas ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verboten. Deshalb mussten die Richter hier der Klage stattgeben.

Eine Antwort

  1. Sehr geehrtes Team der Kanzlei Traphan,

    erst einmal einen lieben Gruß & beste Wünsche von einem Essener im schwäbischen Exil.

    Nun meine Frage zu dem o.g. Thema:
    Dieses Jahr, so teilte mir mein AG auf Antrag mit, erhalte ich kein Weihnachtsgeld, weil:

    „Beschäftigte, die am 1. Dezember in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen und mindestens seit dem 1. August beschäftigt sind, haben Anspruch auf eine Sonderzahlung.“ (Tarif-Vertrag meines AG, NRW, der für uns Beschäftigte im Süden gilt)

    Ich habe in der Tat bereits drei Mal in Folge 2017/2018/2019 ein Weihnachtsgeld erhalten, mein 2016 begonnener Vertrag lief leider Ende Juli 2020 aus, sodass bei mir – so teilte der AG mit – der Stichtag 1.8. greift, an dem ich im Arbeitsverhältnis sein müsse, um das Weihnachtsgeld zu erhalten.

    2016 erhielt ich kein Weihnachtsgeld, da ich erst im Sept. 2019 bei dem AG angefangen hatte. Das Prekäre ist, der freie Träger der Wohlfahrtspflege, bei dem ich arbeite, beschäftigt in den Sommerferien nicht, sodass die Verträge im September immer wieder neu beginnen, aber Weihnachtsgeld wurde in der Vergangenheit gezahlt, auch wenn man am Stichtag 1.8. NICHT beschäftigt war; hier wird dann das Entgelt der Monate Juli, August und September zugrunde gelegt.

    Leider weiß ich nicht, es steht weder im Tarifvertrag noch im Arbeitsvertrag, welche Art Weihnachtsgeld vorliegt, ob das nun eine „Treueprämie“ ist oder ein „Entgelt“ oder eine Mischform. Es fallen Sozialabgaben an, aber das ist wohl kein Indiz für die Form eines Entgeltes.

    Vielen Dank für Ihre Antwort.
    SENDavid

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